Nach den großen Ransomware-Wellen und den weitreichenden Veränderungen in den IT-Landschaften durch die COVID-Pandemie führen nun auch die geopolitischen Folgen des Ukraine-Kriegs dazu, dass viele Organisationen erneut Anpassungen an ihrer Cyberverteidigung vornehmen müssen. Die neue IDC Studie „Cybersecurity in Deutschland 2022“ hat aufgedeckt, wie Organisationen mit den neuen Rahmenbedingungen umgehen wollen und welche Hürden dabei zu überwinden sind.
IDC hat im September 2022 in Deutschland branchenübergreifend Security-Verantwortliche aus 206 Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern befragt, um detaillierte Einblicke in die Herausforderungen, Vorgehensweisen und Pläne beim Aufbau und Betrieb von Security-Landschaften im Kontext der gegenwärtigen IT- und Business-Entwicklungen zu erhalten.
Ransomware: Mehrheit ist bereit das Lösegeld zu zahlen
Ransomware ist immer noch eine große Gefahr. 70 Prozent der befragten Organisationen waren in den letzten 12 Monaten betroffen. Etwa 38 Prozent konnten die Attacken abwehren oder rechtzeitig isolieren. 32 Prozent wurden Opfer eines Ransomware-Angriffs. Aber es wird noch schlimmer: bei fast allen Opfern wurden die Backups teilweise oder sogar komplett verschlüsselt und so umfängliches Recovery verhindert.
Die Umfrage belegt, dass 49 Prozent der Opfer bezahlen, weil es „einfach schneller geht“. Weitere 18 Prozent haben Angst vor einer Veröffentlichung ihrer Daten. Die letzten 12 Prozent haben Angst zugeben zu müssen, dass sie minderwertige Schutzmaßnahmen eingesetzt haben. In Deutschland machen daher die Ransomware-Angreifer ein gutes und recht sicheres Geschäft. Andere Länder sind da weiter, wie etwa die USA, da dort mit nur wenigen Ausnahmen die Bezahlung von Ransomware-Lösegeld bereits verboten ist.
Das ist aus einer Business-Continuity-Perspektive auch grundsätzlich richtig, aber hier ist IDC der Meinung, dass mehr Anstrengungen und Investitionen für eigene dauerhafte Schutz- und Backupmaßnahmen sinnvoller und nachhaltiger wären – zumal eine Bezahlung kein Garant für erfolgreiche Entschlüsselung ist.
80 Prozent planen oder nutzen eine Cyberversicherung
Unternehmen sind bereits versichert oder planen es innerhalb der nächsten 12 Monate zu sein. Vor allem diejenigen ohne erfolgreiche Ransomware-Abwehr haben oder planen häufig eine Versicherung. Das lässt vermuten, dass viele in Cyberversicherungen einen Ersatz für SecurityMaßnahmen sehen. IDC warnt aber davor, so zu denken, denn Cyberversicherungen können Schäden nicht verhindern, sondern nur die wirtschaftlichen Einbußen mindern oder ausgleichen. Verlorenes Vertrauen und Reputation können Versicherungen nicht ersetzen.
Cloud Security hat für jedes 3. Unternehmen Priorität
Unter den strategischen Sicherheitsthemen sticht vor allem die Cloud-Sicherheit hervor, die mit 36 Prozent mit Abstand die häufigste Priorität für Betriebe ist. „Die zunehmende Cloud-Nutzung für immer mehr kritische Prozesse und die dadurch steigende Abhängigkeit bei gleichzeitig steigender Bedrohungslage macht umfangreiche Maßnahmen zu ihrer Absicherung auch absolut notwendig“, sagt Marco Becker, Consulting Manager bei IDC und Studienleiter.
Mit 22 Prozent ist Endpoint Security die zweithäufigste Top-Herausforderung. Die zunehmende Nutzung von Endgeräten für Remote Work und die starke Dezentralisierung von Endpoints durch (Industrial) Internet of Things und Edge Computing erhöhen das Gefährdungspotenzial. Mit 19 Prozent auf dem dritten Rang befinden sich Secure Backups und Desaster Recovery.
Diese Priorität leitet sich vor allem aus dem großen Erfolg von Ransomware ab und ist nach Meinung von IDC berechtigt, denn bei 88 Prozent der erfolgreichen Ransomware-Angriffe auf Studienteilnehmer wurden auch die Backups ganz oder teilweise verschlüsselt. Etwas zu wenig Aufmerksamkeit bekommt mit neun Prozent Security Automation und Orchestration. „Gemessen an der Security-Komplexität und dem Fachkräftemangel sollte diesem Thema wesentlich mehr Aufmerksamkeit beigemessen werden“ rät Becker.
Fazit: Ohne Maßnahmen droht die Niederlage
Bei der Verbesserung der Cybersicherheit gibt es nach Ansicht von IDC auch nach der Analyse der diesjährigen Studienergebnisse noch viel Optimierungspotenzial. Standardlösungen und ein grundsätzlich gutes Verständnis für die Probleme und Security-Herausforderungen sind in den meisten Unternehmen vorhanden, aber nun gilt es, vorhandene Security-Lösungen effektiv zu nutzen.
Dafür ist aus Sicht von IDC die Reduzierung der Security-Komplexität eine der wichtigsten Stellschrauben. Ein zweites Problemfeld ist der zunehmende Personal- und Fachkräftemangel für Security. IDC geht nicht davon aus, dass sich dieser kurzfristig bessert, sondern sich noch weiter zuspitzt. Vor allem die Wechselwirkung von Komplexität und Fachkräftemangel ist hochgefährlich: Beide katalysieren sich gegenseitig, denn je größer die Komplexität desto mehr Personal wird gebraucht, um ihr Herr zu werden und je größer der Fachkräftemangel, desto weniger kann gegen die Komplexität unternommen werden.
Ohne eine kluge Mischung aus intensiver Aus- und Fortbildung von Security-Personal, verstärkten Investitionen in Security Automation, Orchestration und Intelligence und einer Ergänzung der eigenen Security-Fähigkeiten durch externe Security-Infrastrukturen und -Services, laufen aus Sicht von IDC viele Organisationen Gefahr, die Kontrolle im Wettlauf gegen Cyberkriminelle zu verlieren.
Geschäftsführung muss mehr Verantwortung übernehmen
Dafür ist es essenziell, dass Geschäftsführung und Vorstand endlich klare Verantwortung für Security übernehmen und eine ganzheitliche Cybersecurity-Kultur und die Integration von Business und Cybersecurity vorantreiben. Die zunehmende Abhängigkeit von IT bei der Gestaltung des Kundenerlebnisses, die geopolitischen Folgen des Ukraine-Kriegs sowie stark steigende kommerzielle Cyberkriminalität machen die Erhaltung des immer wichtiger werdenden digitalen Vertrauens von Kunden und Partnern essenziell für das Geschäft. Während im Schatten der Krisen einige IT-Maßnahmen vorerst aufgeschoben werden, ist Cybersicherheit als Garant für die eigene Sicherheit und zur Sicherung der Existenz wichtiger und dringlicher denn je.
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