Cyberpsychologie: Sicherheitsvorfälle sind eine Charakterfrage. Stress und individuelle Verhaltensweisen der Mitarbeiter beeinflussen das Security-Risiko. ESET hat für eine Analyse über 100 IT-Sicherheitsverantwortliche während der Covid-19 Pandemie befragt.
Der Mensch gilt als das größte Sicherheitsrisiko in einem Unternehmen. Aber warum klicken manche Mitarbeiter auf Links, laden Daten herunter oder nutzen privates Equipment, obwohl Compliance und Schulungen genau dies verbieten? Diesen und weiteren Fragen sind der IT-Security-Hersteller ESET und das Unternehmen für Geschäftspsychologie, Myers-Briggs, aus verhaltenspsychologischer Sicht nachgegangen. Für die Analyse wurden über 100 IT-Sicherheitsverantwortliche während der Covid-19 Pandemie befragt und deren Einstellungen und Erfahrungswerte ausgewertet. Und die Ergebnisse überraschten: Offensichtlich spielt der Charakter des Angestellten eine entscheidende Rolle, ob es zu einem Security-Vorfall kommen wird oder nicht.
Stress beeinflusst Umgang mit IT-Sicherheit
Alltagsstress lässt sich kaum vermeiden. Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass die Anspannung weiter angestiegen ist. In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, diesen Einfluss auf die eigenen Verhaltensweisen und den Umgang mit der IT-Sicherheit besser zu verstehen. In der Studie kristallisierten sich acht Charaktere (der Aktive, Entdecker, Anführer, Emotionale, Bewahrer, Visionär, Analyst und Gewissenhafte) heraus, die unterschiedlich mit Stress umgehen und ein prägnantes Verhalten in Securityfragen zeigten.
Beispielsweise ist „Der Aktive“ analytisch, kontaktfreudig, logisch denkend und einfallsreich. Ihn stressen theoretisch abstrakte Aufgaben ohne aktuelle, praktische Anwendungen. Dies führt später zu einem übermütigen, gefährlichen Verhalten und einer Selbstüberschätzung. Im Gegensatz dazu ist „Der Gewissenhafte“ meistens kooperativ, bescheiden und anpassungsfähig sowie sanft und loyal. Er gerät unter Stress, wenn er mit unflexiblen und unreflektierten Menschen zusammenarbeiten soll. Unter Druck ignoriert der Gewissenhafte dann Fakten und Regeln, die nicht in das selbst entworfene Bild passen und arbeitet zwanghaft an der für ihn optimalen Lösung – im schlimmsten Fall auf Kosten der Sicherheit.
Malware contra Charakter
Die überwiegende Zahl von Cyberangriffen ist nicht wegen der Fähigkeiten der Hacker erfolgreich, sondern aufgrund menschlicher Fehler oder Versehen. Gemäß der Studie könnten Persönlichkeitstypen, denen Entscheidungsfreudigkeit, Realitätsnähe und Klarheit zugeschrieben werden, anfälliger für bösartige Downloads sein. Gleiches gilt für Menschen mit ausgeprägtem Organisationstalent und auch diejenigen, die mit eigenwilligen oder phantasievollen Arbeitsweisen auffallen. Während diese Mitarbeiter gewöhnlich das Sicherheitsprotokoll Schritt für Schritt abarbeiten, könnten Zeitdruck und Stress dazu führen, dass sie um der Effizienz Willen eine schnelle Entscheidung fällen. Abhilfe schafft die strikte Fokussierung auf relevante Informationen, bevor sie Entscheidungen treffen.
Phishing zielt auf selbstbewusste, positive Menschen ab
Phishing-Mails zählen zu den gefährlichsten Angriffsvektoren – und zu den erfolgreichsten. Inzwischen sind die fingierten Nachrichten so täuschend echt gestaltet, dass selbst Experten mehrfach hinschauen müssen, um sie zu entlarven. Für den Betrug per Phishing scheinen insbesondere die Persönlichkeitstypen empfänglich zu sein, die selbstbewusst, positiv denkend und mutig durch das Leben gehen. Auch enthusiastische und kreative Menschen, denen eine hohe Begeisterungsfähigkeit zugeschrieben wird, müssen besonders vorsichtig sein. Diese Charaktere sollten sich in puncto IT-Sicherheit ausreichend Zeit nehmen, um die Vertrauenswürdigkeit von eingehenden Nachrichten zu überprüfen, bevor sie sie öffnen, Anhänge herunterladen oder beantworten. Besondere Vorsicht sollten sie bei E-Mails mit interessantem Inhalt oder emotionaler Aufmachung walten lassen.
Das Internet der Dinge gefährdet Pragmatiker
Das Internet der Dinge (IoT) hat sich längst zum festen Bestandteil unseres Lebens entwickelt: Die Bürotür öffnet sich automatisch beim Ankommen, zum Arbeitsbeginn hat die smarte Kaffeemaschine den Cappuccino gekocht und die Schreibtischbeleuchtung passt sich der Stimmung an. All das ruft selbstverständlich Cyberkriminelle auf den Plan, denn viele der eingesetzten IoT-Devices haben Nachholbedarf bei der IT-Sicherheit. Wenn dann menschliches Fehlverhalten dazu kommt, wird es kritisch.
Gerade im Umgang mit IoT zeigt sich: Persönlichkeitstypen, die praktisch veranlagt sind und denen zudem Direktheit sowie Offenheit und Überlegtheit zugeschrieben werden, könnten anfällig sein, wenn sie das Einstellen verbundener Geräte selbst in die Hand nehmen. Auch Menschen mit hoher Problemlösungskompetenz und Hang zur Unabhängigkeit sind in Gefahr. Dies gilt auch dann, wenn sie normalerweise die Regeln befolgen. Die beste Herangehensweise für diese Persönlichkeitstypen ist es, nicht immer anzunehmen, man wüsste es am besten. Zudem sollten sie sicherstellen, dass keine Regeln oder Vorschriften ignoriert werden.
Fazit der Studie
Cyberangriffe sind eine kontinuierliche Bedrohung für Unternehmen. Das Verständnis von individuellen Persönlichkeiten kann eine Schlüsselrolle in der IT-Sicherheitsstrategie von Unternehmen spielen. So lassen sich effektivere Schulungskonzepte entwickeln und Angestellte dazu motivieren, sich mehr auf ihre Selbstreflektion und ihre Fähigkeiten zu konzentrieren. Das Verständnis dafür, dass der Faktor Mensch für die IT-Sicherheit genauso wichtig ist wie die technischen Aspekte, ist der erste Schritt, um ganzheitliche IT-Sicherheitskonzepte für Unternehmen zu entwickeln. Die Studie steht kostenlos zum Download bereit.
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